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Feministischer als ihr war Mohammed allemal

Feministischer Zwischenruf

Was Sexisten aus dem Koran über Gleichberechtigung lernen können, erklärt Fabian Goldmann im aktuellen feministischen Zwischenruf.

Muslimische Männer sprechen sich, bei einer Demo 2013 in Dallas (Texas, USA), gegen Gewalt an Frauen aus: „Muslime sagen Ja zu Frauenrechten“.
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Muslimische Männer sprechen sich, bei einer Demo 2013 in Dallas (Texas, USA), gegen Gewalt an Frauen aus: „Muslime sagen Ja zu Frauenrechten“

Was Sexisten aus dem Koran über Gleichberechtigung lernen können

Jetzt sind sie wieder da, die männlichen Reaktionäre, die in Talkshows und auf Podien erklären, was Sexismus ist. Ihr Interesse für Diskriminierte entdecken sie stets dann, wenn sich damit eine andere Gruppe diskriminieren lässt: ­in diesem Fall die Muslime. Dabei könnten die Horst Seehofers und Andreas Scheuers, mithin die Führungsriege der CSU, in Sachen Frauenrechte viel vom bekanntesten aller Muslime lernen: Ja genau, von Mohammed, diesem gewalttätigen, unzivilisierten  Barbaren aus dem siebten Jahrhundert. So zumindest lautet das Klischee, das spätestens seit der Silvesternacht auf alle anderen männlichen Muslime projiziert wird. Dabei war der islamische Prophet emanzipierter als viele seiner heutigen Kritiker.

Da wäre zum Beispiel Hans-Peter Friedrich, seit 2014 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag: „[Muslime] bringen häufig ein archaisches Verständnis von Geschlechterrollen, von Familie und Gesellschaft mit, das unserer freiheitlichen, vielfältigen Kultur zuwiderlauft“, lautete sein Kommentar zu Köln. Patriarchale Gesinnungen sind in muslimischen Ländern durchaus ein Problem, aber wenn  ausgerechnet der Vizechef der reaktionärsten und anti-emanzipatorischen Partei im Bundestag von Freiheit und vielfältiger Kultur spricht, dann sollte man sich schleunigst wundern. Immerhin ist die Bilanz der CSU in Sachen Frauenrechte ungefähr so positiv wie die Aufklärungsquote der Kölner Polizei.

Die Verwahrlosung der CSU

Müsste man den Zustand der CSU und ihrer Anhänger*innen mit einem Wort aus dem Koran erklären, Dschāhiliyya träfe es wahrscheinlich am besten. Mit diesem Begriff beschreiben Theologen einen quasi zivilisationslosen Zustand, in dem nicht das Recht, sondern tribalistische Traditionen Gewalt und Alphamänner das Leben und damit auch die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern bestimmten; der bayerische Stammtisch der arabischen Halbinsel.

Als Mohammed im siebten Jahrhundert seine Prophezeiung verkündete, kam das einer feministischen Revolution gleich. Die Wucht dürfte in etwa jener entsprochen haben, als hätte #Aufschrei-Initiatorin Anne Wizorek ihre #ausnahmslos-Thesen jeder CSU-Ortsgruppe an die Tür genagelt. Mit Mohammeds Prophezeiung konnte sich zum ersten Mal jene Hälfte der Menschen, die zuvor völlig rechtlos waren, auf niedergeschriebene Gesetze berufen. Ein Erb- und Scheidungsrecht für Frauen gab es vor dem Jahr 620 auf der arabischen Halbinsel ebenso wenig wie einen allgemeinen Gleichheitsgrundsatz wie er nun in Sure 9, Vers 71 zu finden war: „Die gläubigen Männer und Frauen sind einer des anderen Beschützer. Sie gebieten das Rechte und verbieten das Verwerfliche.“

Dass Mohammed ein  progressiveres Frauenbild hatte als viele seiner heutigen Kritiker, spiegelt sich auch in seinem Privatleben wider. Seine erste Ehefrau Khadidscha lernte er als Angestellter kennen: Die erfolgreiche Geschäftsfrau stellte den mittellosen jungen Mohammed in ihrem Karawanen-Unternehmen ein. Auch der Heiratsantrag ging von Khadidscha aus, die vor der Ehe mit Mohammed bereits zweimal verheiratet war.

Es ist in etwa die gegenteilige Rollenverteilung, wie bis heute von den Andi Scheuers dieses Landes vorgelebt werden. Untertragbar sei es,  “dass Frauen in deutschen Großstädten nachts auf offener Straße, auf öffentlichen Plätzen sexuell traktiert und beraubt werden", hat der CSU-Generalsekretär gesagt. Der Satz fiel ihm noch zu keinem Oktoberfest ein, bei dem Polizei und Opferschutzinitiativen Frauen zum Schutz vor Vergewaltigern routinemäßig davor warnen, allein nach Hause zu gehen. Und auch von seinem Engagement dagegen, dass die Theresienwiese jedes Jahr mit behördlicher Zustimmung zur No-Go-Area für jede Frau wird, die nicht in Kauf nehmen will begrapscht zu werden, ist bisher nichts überliefert.

Mohammad als Vordenker von Paragraph 177

Ganz anders bei Mohammed. Sure 4, Vers 34 legte damals die Bedingungen fest, unter denen ein Mann seine Frau schlagen durfte. Dass Gewalt gegen die eigene Ehefrau nur dann legitim ist, wenn sie diesen finanziell hintergeht, klingt rückständig, war aber in einer Welt, in der jeder Mann seine Ehefrau schlagen durfte wie er wollte, ein gewaltiger Fortschritt. Die deutsch-christliche Entsprechung zu Sure 4, Vers 34 heißt Paragraph 177. Seine Aufnahme in die deutsche Strafgesetzgebung ließ allerdings noch 1.400 Jahre auf sich warten. Erst 1997 erklärte der Bundestag Vergewaltigungen in der Ehe für strafbar. Die Vergewaltigung-Befürworter argumentierten damals unter anderem mit der besonderen christlichen Bedeutung von Ehe und Familie. Auch der heutige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer stimmte damals gegen die Strafbarkeit. Heute fordert er, sexuell übergriffige Migranten sofort abzuschieben – ohne Gerichtsprozess. Dschāhiliyya eben.

Fabian Goldmann ist freier Journalist, Politik- und Islamwissenschaftler. Seine Themenschwerpunkte sind u.a. Islamophobie und die Kritik an patriarchalen Männlichkeiten.

In deren Herkunftsländern sind reaktionäre Männer, die von Sexismus nur wissen, dass immer die anderen daran schuld sind, natürlich ebenso kein fremdes Phänomen. Auch in ägyptischen Talkshows tauschen eierschaukelnde Bosbach-Imitate anzügliche Altherren-Witze aus und erklären  jungen Moderatorinnen, dass das beste Mittel gegen sexuelle Übergriffe islamische Frömmigkeit sei. Und erst der schädliche Einfluss des sexuell enthemmten Westens habe dazu geführt, dass in Ägypten Frauen vergewaltigt würden. Genauso, wie sich Feminist*innen und Sexist*innen hierzulande gleichermaßen auf den christlichen Glauben berufen, ist auch die Interpretation von Mohammed als Frauenrechtler, nur eine von vielen möglichen Lesarten des Koran. Auch für reaktionäre Männer, die ihren Mohammed lieber frauenverachtend mögen, bietet der Koran zahllose geeignete Textstellen.

Alle anderen können es stattdessen mit echtem Feminismus versuchen – den für Frauen, nicht den gegen Muslime. Das tun viele Muslime und Musliminnen übrigens auch. Für alle sexistischen Christ*innen, die der Dschāhiliyya entkommen wollen, gibt es ebenfalls eine gute Nachricht: Auch die Bibel kann man so interpretieren, das es Jesus – trotz seiner zwölf Apostel – ein Feminist war.